Bursfelder Miniaturen

Revue passierte Schau von Beiträgen zur Geschichte und monastischen Spiritualität eines benediktinischen Weserklosters. Erarbeitet von C.C. Sumpf, Hann. Münden

An der Klosterpforte

I

Nun klopf ich an die Tür des Klosters an,
Ein abgehetzter, müder Wandersmann,
Der Rock bestaubt, die Glieder — ach! — so schwer,
Und in dem Herzen keine Hoffnung mehr.

Einst zu der Jugend gold'nem Maientag
Die Welt im Sonnenglanze vor mir lag
Und tausend Wünsche, fieberhaft durchglüht,
Umspielten lockend Sinne und Gemüt.

Mir war's, als wär’ die Herrlichkeit der Welt
Mit ihrer Lust zu meinem Dienst bestellt,
Als müsst der Sonne goldner Zauberschein
Die stete Leuchte meines Lebens sein.

Doch all der trügerische Schein verschwand,
Je heißer sich mein Herz ihm zugewandt:
Wo immer mir das Glück zu winken schien,
War's eitler Tand, nicht wert, sich drum zu müh’n.

Wie schmeckt nach Erde jedes Erdenglück,
In Staub verweht im nächsten Augenblick!
Nur die Begierde hält den Stein für Brot,
Und wo wir Leben wähnen, herrscht der Tod. —

Die Täuschung schwand. Des reifen Mannes Sinn
Nahm unverzagt des Lebens Auftrag hin:
Wozu des Armes und des Geistes Kraft,
Wenn sie nicht wirkt und große Taten schafft!

Kein Ziel zu hoch, zu ferne kein Gestad’,
Dem nicht das Steuer meines Schiffleins naht.
Und war's ein Sprung aus steilster Höhe gar,
Ich wagte ihn, trotz drohender Gefahr!

Und doch, was frommt dir aller Heldenmut?
Ist schon die Kraft des Mannes höchstes Gut?
Ist's schon des Lebens letzter Überschwang,
Wenn das, was die Natur dir gab, gelang?

Der Wille, der nach hohen Zielen strebt,
Doch stets im Bann des eignen Wollens lebt,
Und aus dem Besten, was er je getan,
Schaut nur sein eignes, eitles Bild ihn an. —

Nun bin ich alt, von meiner Jugend Wahn
Und von den Taten, die der Mann getan,
Blieb nichts zurück als nur mein armes Herz,
Die Furcht des Todes und der Sünde Schmerz.

Wie grausam doch, in einer Welt zu sein,
An deren Ausgang uns zu unsrer Pein
Das strenge Urteil des Gewissens schreckt,
Der Tod die kalten Hände nach uns streckt!

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